PUBLIKUMSSTIMMEN UND FOTOS


Literatur im O-Ton am 11. Dezember 2016
Alte Schlosserei der EVO, Goethering, Offenbach am Main.

SOPHIE ROIS liest HILDE SPIEL

PRESSEECHO


Offenbach-Post, 13. Dezember 2016

Unstillbare Heimatlosigkeit

Sophie Rois verleiht in der Alten Schlosserei einer zu Unrecht fast vergessenen Autorin ihre Stimme: Hilde Spiel

Heimisch geworden ist sie nirgendwo. Als Abkömmling einer jüdischen Familie ist die österreichische Schriftstellerin und Journalistin Hilde Spiel 1936 vor dem drohenden Nationalsozialismus nach London geflohen. Dort hat sie gelernt, auf Englisch zu schreiben. Erst 1946 kehrte sie als Kriegs-Korrespondentin für die Wochenzeitung New Statesman nach Wien zurück – und ist innerlich heimatlos geblieben.

Die Schauspielerin Sophie Rois, berühmt geworden im Ensemble von Frank Castorfs Berliner Volksbühne und später auch durch markante Auftritte in Film und Fernsehen, hat in der Offenbacher Lese-Reihe Literatur im O-Ton in der Alten Schlosserei der EVO aus autobiografisch motivierten Texten von Hilde Spiel gelesen.

Im ersten Teil ging es unter anderem in Erzählungen um Kindheitserinnerungen im Wiener Vorort Heiligenstadt. Selbst beim Anblick der Gasse, in der sie lange Zeit gelebt hat, hat Hilde Spiel bei ihrer Rückkehr in die kriegszerstörte Hauptstadt 1946 keine Heimatgefühle empfinden können. Das beschreibt die große Stilistin in ihrer Autobiografie mit einer atmosphärischen Eindringlichkeit. Beim Besuch eines Lagers für „Displaced Persons“ in Kärnten – Personen, die ob Krieg und Verfolgung an Orte fern ihrer Heimat getrieben worden waren – fand sie Menschen vor, die nicht mehr zurückkehren wollten, viele strebten eine Ausreise nach Palästina an. Der klare, nüchtern- teilnehmende Blick prägt auch ihren Bericht von der Begegnung mit einem des Deutschen mächtigen LKW-Fahrers in Griechenland, hinter dessen Lebensgeschichte sich der Abgrund des von den Nationalsozialisten entfachten Mordens quer über Europa auftut.

Nicht kühl distanziert trägt Sophie Rois die in einem knappen und präzisen Stil gefassten Texte vor, sie gestaltet sie moderat-dramatisch forciert aus. Momentweise riskiert sie es, einem Märchenerzähler nahezukommen. In Dialogpassagen zeichnet sie die Figuren mit unterschiedlichen Tonfällen. Das bleibt – zum Glück!– unaufdringlich. In jedem Fall gelingt es Rois, den ganzen Abend über die Aufmerksamkeit zu binden. Eine verdienstvolle Auseinandersetzung mit einer heute zu Unrecht fast vergessenen Autorin. – zik

Sophie Rois bei der Lesung in
Offenbach

Sophie Rois bei der Lesung in Offenbach.
Foto: Max Dienemann/Salomon Formstecher Gesellschaft,
Brigitte Pfeiffer (www.fotostudio-pfeiffer.de)

 

PUBLIKUMSSTIMMEN


Heide Neugebauer, Offenbach

„Zu meinem Glück durfte ich Sophie Rois hören, wie sie diese Texte von Hilde Spiel las: ihre Stimme fast spröde, mit unnachahmlicher österreichischer Klangfärbung, vor langer Zeit Erlebtes wurde ganz nah, und doch spürbar die Noblesse und der Respekt vor dem Erzählten. Eine Sternstunde in der Alten Schlosserei.“

Iris Bergmiller-Fellmeth, Frankfurt

„Die ,Alte Schlossere’, Zeugin der Industriekultur, bot einen guten Rahmen, der mir als Besucherin volle Konzentration auf die Lesung der Texte von Hilde Spiel  ermöglichte. Grosses Kompliment an Sophie Rois, die mich mit Ihrer markanten Stimmfärbung in Bann zog und die gut ausgewählten Texte lebendig werden ließ. Danke an die Max Dienemann/Salomon Formstecher Gesellschaft für diesen gelungenen Abend.“

Christiane Sieling, Offenbach

„Wie Sophie Rois die Texte von Hilde Spiel vorgetragen hat, gefiel mir sehr gut. Es war beeindruckend, wie sie die Erlebnisse von Hilde Spiel bei ihrer Rückkehr 1946 nach Wien vortrug. Besonders eindrucksvoll hat Sophie Rois die Erzählung „Ein Mann aus Ladavia“ gelesen. Wir waren vor kurzem in Thessaloniki, konnten die Atmosphäre und Landschaft, von der Hilde Spiel in dieser Erzählung berichtet, gut nachvollziehen, auch wenn vierzig Jahre dazwischen liegen.“

Eugen El, Frankfurt

„Sophie Rois las akzentuiert und ausdrucksstark. Die Lesung vermittelte einen intensiven Eindruck vom persönlichen Wandel Hilde Spiels. Die ersten Geschichten zeugen noch von den Kindertagen im alten Österreich. In ihrem Bericht über die Rückkehr nach Wien im Jahr 1946 erscheint Hilde Spiel als abgeklärte Persönlichkeit. Spiels Blick auf die verlorene Heimat ist illusionslos.

Lore Ringwald, Offenbach

„Die Offenbacher Lesung mit Sophie Rois war wunderbar. Mich hat begeistert, dass sie in Offenbach gelesen hat und was sie gelesen hat. Ich habe mich daran erinnert, wie Sophie Rois vor vielen Jahren in dem Fernsehfilm über die Familie von Thomas Mann die Tochter Erika Mann gespielt hat. Das war ausgezeichnet. Zu den Texten von Hilde Spiel hat Sophie Rois den Ton gut getroffen. Sehr gut gefallen hat mir die Textauswahl. Ich habe mich daran erinnert, dass mein verstorbener Mann damals die Taschenbuchausgabe von Hilde Spiels Tagebuch ,Rückkehr nach Wien’ mitbrachte. Daraus hat Sophie Rois auch gelesen. Es war ein schöner Abend, für mich ein zusätzliches Weihnachtsgeschenk.“

Ilja Granatsein, Frankfurt

„Die Lesung fand in einer architektonisch ansprechenden Location statt. Die Akustik war hervorragend. Sophie Rois lieferte eine theatralisch gelungene Darbietung. Leider wurde zu wenig Kontext zu Hilde Spiel und ihrem Werk angeboten. Man hätte sich eine kurze Diskussion gewünscht, um einen Bezug zur Gegenwart herzustellen.“ 

Elisabeth Leuschner, Frankfurt

„Zu Offenbach hatte ich aus verschiedenen Gründen immer ein hoch ambivalentes Verhältnis. So ging es mir auch mit dem Ort am Abend der Lesung aus den Texten von Hilde Spiel: Was zunächst wie eine Brache am Rande der Stadt wirkte, überwältigte beim Näherkommen mit einer stark beleuchteten, menschenleeren Industrielandschaft, an deren einem Gebäude ein riesiges Bild der Schauspielerin Sophie Rois auf die gegenüber liegende ,Alte Schlosserei’ hinwies.

Betrat man deren modern ausgebaute Halle mit ihrem angenehmen Licht, ihrer Wärme und ihren Menschen, fühlte man sich sofort in ,zivilen Verhältnissen’ und vergaß die befremdliche Umgebung. Erst recht mit Beginn der Veranstaltung, die mich nach den Einblicken in Hilde Spiels Lebensgeschichte vor allem im ersten Teil wunderbar überraschte. Was sie aus ihrer Kindheit erzählt, wie sie Räume (zum Beispiel Klassenraum und Sitzordnung) und Menschen beschreibt, damit gleichzeitig soziale Gefüge abbildet mit ihren Hierarchien, Abhängigkeiten und daraus erwachsenden Ängsten und Abneigungen, ist so detailreich ,angeordnet’, dass genaue Bilder der Örtlichkeiten entstehen und wie in einem Film die handelnden Personen vor dem inneren Auge auftauchen. Gleichzeitig folgte man dem ungemein sensibel beobachteten Geschehen mit hoher Spannung, war über einige Wendungen und ,Lösungen’ nicht wenig erstaunt.

Dass Sophie Rois diese ,Kindergeschichten’ lebhaft, aber sparsam dramatisch mit leichtem Wiener Einschlag vorlas, unterstrich die Genauigkeit der Dialoge, hob die ausgesucht präzise Sprache der Erzählerin hervor. Unentwegt schoben sich auch eigene Kindheitserlebnisse (besonders Schulerlebnisse) in die geweckten Vorstellungen, ohne den Gedankenfluss der Geschichte zu stören. Vielleicht ist das überhaupt das Beste an den Geschichten: sie wecken eine Fülle an Assoziationen. Das gilt auch für den zweiten Teil der Lesung aus der Nachkriegszeit: Keine Heimat, nirgends. Was Hilde Spiel wesentlich ist: der Blick für Verhältnisse, die Intuition für Menschen und ihre Muttersprache.“

Angelika Amborn-Morgenstern, Offenbach

„Authentisch und spannend, von Anfang an. In der Veranstaltungsreihe ,Offenbacher Lesungen/Literratur im O-Ton’, standen diesmal zwei hochkarätige Frauen im Mittelpunkt: Hilde Spiel und Sophie Rois. Die Textstellen, die Sophie Rois zur Interpretation vorgelegt wurden, repräsentierten die reiche Palette der Sprache von Hilde Spiel.

Sophie Rois ist es auf fantastische Weise gelungen, diese facettenreiche Sprache lebendig zu inszenieren, die Personen und Schauplätze plastisch, authentisch und spannend erlebbar zu machen. Sei es, die sensible und emotionsgeladene Sprache mit der sie die Gefühle des kleinen Mädchens – Hilde Spiel selbst – schildert, welches im Schneegestöber ihre Mutter verliert. Alles vorgetragen im Wiener Akzent. Sei es die nüchtern registrierende Sprache, mit der sie den unfassbaren Anblick des Bergs aus Glas- und Holzsplittern beschreibt, in den ihre Londoner Wohnung nach einem Bombenangriff in den 1940er Jahren versetzt wurde. Oder aber die bodenständig realistische Sprache, in der sie, als Nachkriegsreporterin in britischer Uniform den griechischen LKW-Fahrer von seinen erschütternden Erlebnissen als Zwangsarbeiter (im österreichischen Konzentrationslager Mauthausen) berichten lässt.

Für mich war die Veranstaltung ganz besonders spannend, denn ich entdeckte in den Texten und zur Person von Sophie Rois biographische Beziehungen zu unserer Familie. Wie bei Hilde Spiel stammte auch mein Urgroßvater aus einer jüdischen Wiener Familie, wie bei Sophie Rois war er Schauspieler, der unter anderem in London auftrat, wohin Hilde Spiel zog, um ihre berufliche Karriere aufzubauen, exakt im gleichen Alter wie eine unserer Töchter, nur siebzig Jahre früher. Somit hatte die Veranstaltung für mich einen unerwarteten, besonderen Erlebniswert.

 

FOTOS


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Alle Fotos von Brigitte Pfeiffer, Fotostudio Pfeiffer © Max Dienemann/Salomon Formstecher Gesellschaft e.V.